Zum Glück nicht aufgegeben

Sehr geehrte Frau Ebert,

ich zögerte doch lange, bis ich mich nun endlich einmal hinsetze und ein paar Zeilen formulieren möchte.

Zugegeben, einfach finde ich es nicht, denn es ist ja auch schon ein paar Tage her. Emotionen, Gedanken und alles was damit verbunden ist, kann für mich oftmals nur schwer im Nachhinein wiedergegeben werden. Trotzdem will ich es versuchen. Es ist mir bislang nicht geglückt. Ein paar Anläufe hatte ich nämlich schon im Vorfeld unternommen, dann aber alles wieder gelöscht.

Tja- wie war das damals? Erst einmal wäre ich wohl nicht von alleine auf die Möglichkeit gestoßen solch ein Lernkonzept überhaupt ausfindig zu machen, wäre nicht die Klassenlehrerin mit Ihrem Flyer zum Schnuppertag auf mich zugekommen. Für mich stand fest, es wäre unser eigenes, privates Lernproblem und das müssten wir mal selbst irgendwie ausbaden oder damit leben lernen. Das es Stillstand war und ein ewiges auf der Stelle treten, ist irgendwann klar gewesen.

Wie sollen Eltern auch raus aus ihrer Haut? Literatur gibt es zur Genüge. Das Internet ist gefüllt mit Tipps und anderen Vorschlägen. Die Lehrer zucken mit den Schultern. Schließlich hat eine Klasse noch mehrere Kinder und manche sind so fit, dass sie ständig Zusatzaufgaben benötigen, um sich nicht zu langweilen.

Ich kam aber nicht ran an mein Kind. Das ist wie eine Blockierung. Da konnte ich noch so viel reden.

Das Ganze führte schließlich zu Wut und Überforderung. Schon allein der Gedanke an Hausaufgaben führte bei mir selbst zu ... ja... zu was eigentlich? Ich kann es schlecht beschreiben, aber es ist wirklich schon irgendwie ein Gemisch aus Verzweiflung, Wut und sonstigen Ängsten gewesen, die unumgänglich jeden Tag wieder auf mein Kind und mich zukamen.

Dann die Einflüsse von anderen Kindern. Die Eltern, die es echt locker und leicht nahmen, die selbst mehr Zeit für sich hatten, weil sie nicht stundenlang dabeisaßen, wenn ihre Kinder Hausaufgaben erledigten oder ein Gedicht oder Lied lernen sollten. Die Maßstäbe werden in dieser Gesellschaft viel zu oft an denen bemessen, die es einfacher haben und das ist vom Grundsatz her schon ein erster Punkt, an dem ein lernschwaches Kind scheitert.

Man darf auch nicht vergessen, es geht nicht ausschließlich nur um dieses eine Kind. Denn Geschwister leiden unter der Situation ebenso. Und Elternpaare werfen sich irgendwann ihre Fehler vor, obwohl eigentlich niemand die wirklichen Ursachen kennt.

Dann ist da noch der Beruf, der auch Bestleistungen verlangt. Der Spagat ist riesig und die wahre Kunst besteht darin ihn auszuhalten.

Das schlimmste Resultat aber ist die Resignation. Aufgeben, weil es einfach nicht klappen will. Und genau das ist der Punkt. Wir waren kurz davor. Dieses dann nicht zuzulassen und trotz der schwierigen Situation immer weiter kontinuierlich nach Möglichkeiten zu suchen fällt echt schwer.

Die Nerven lagen blank und die äußeren Einflüsse sind konstant vorhanden. Hinzu kommen gesundheitliche Probleme beim Kind selbst und von mir ganz zu schweigen. Alles in einem: Ohne Hilfe ist nur noch eins möglich, nämlich aufzugeben und das Kind in Ruhe zu lassen. Es geht ja seinen Weg. Wie der allerdings aussieht, steht auf einem anderen Blatt.

Zu Ihnen fuhr ich mit sehr gemischten Gefühlen. Teils voller Hoffnung, teils aber auch mit Ungewissheit und Angst. Hinzu kommt dann noch ein Gefühl von Scham, denn wer sagt schon gerne was man am liebsten selbst nicht wahrhaben möchte? Und das unbestimmte Gefühl, es würde sowieso alles nichts bringen war auch anwesend. Ich weiß es ist falsch, aber es war nun mal vorhanden. Man muss ja schließlich auch die gesamte Vorgeschichte kennen und das ist und bleibt im eigenen Kopf und sonst schafft es niemand anderes sich in dieser Art und Weise eine ähnliche Vorstellung zu machen, was logisch ist.

Mein Kind hat sich übrigens nie gewehrt, hat nicht einmal gesagt, er würde nicht zu Ihnen wollen oder wozu das alles gut sein soll. Ich erwähnte ja bereits, wir waren an einem Punkt angekommen, wo an Aufgeben gedacht wurde.

Ich denke es ist für J eine gute Erfahrung gewesen. Es hat ihm gut getan auch mal einen Fortschritt zu sehen. Jeder Mensch benötigt Erfolgserlebnisse. Die Stärken und sind lebenswichtig. Zwar ist nichts sofort und gleich möglich, aber schon allein die Chance und eine Richtung helfen enorm. Dass es seine Zeit braucht, muss jeder verstehen.

Wenn man immer nur das Schlusslicht ist und andere stets und ständig im Vordergrund stehen, dann ist das für einen Schüler im Klassenverband mehr als deprimierend. Es tut weh, wenn man die Mutter eines solchen Kindes ist. Ich litt immer mit ihm mit.

Meine Bitte an Sie, liebe Frau Ebert, bleiben Sie bei Ihrer Arbeit! Die Betroffenen sind Ihnen dankbar. Endlich mal was wert zu sein und sich nicht immer nur verstecken zu müssen, tut der Seele gut. Und nicht nur der Kinderseele, sondern allen anderen, die auch indirekt davon betroffen sind.

Dass es immer Wege gibt, haben wir durch Ihre Arbeit erfahren dürfen. Aufgeben ist der größte Fehler, den man in schwierigen Situationen begehen kann.

Wir sind froh und dankbar für Ihre große Unterstützung.

eine Mutti

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